Obwohl Studien mittlerweile darauf hinweisen, dass Wohlergehen und Produktivität bei der Arbeit von dem Menstruationszyklus beeinflusst werden, wird dem Thema an den meisten Arbeitsplätzen bisher wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Das ist problematisch und hat Folgen für Menstruierende, Unternehmen und die Gesellschaft.

Menstruation und Arbeit
Während einige Menstruierende das Glück haben, wenig oder gar keine Symptome im Zusammenhang mit ihrer Periode zu erleben, leiden viele unter körperlichen und psychischen Symptomen in der Lutealphase ihres Zyklus, also der Phase zwischen dem Eisprung und dem Einsetzen der Periode, oder während der Menstruation. Zu den häufigen Menstruationsbeschwerden gehören sowohl starke Unterbauchschmerzen und -krämpfe, auch Dysmenorrhoe genannt, als auch prämenstruelle Symptome wie Sensibilität, Kopfschmerzen und starke Müdigkeit, bis hin zur Erschöpfung.
Bei Menstruierenden, die an einer prämenstruellen dysphorischen Störung (PMDS) leiden, kann es zu Angstzuständen, depressiven Episoden und sogar zu Suizidgedanken kommen. Es wird geschätzt, dass etwa jede zweite Menstruierende von Schmerzen während der Menstruation betroffen ist, während 20-40% prämenstruelle Symptome erleben. Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass nicht jeder Zyklus gleich abläuft, und die Symptome sich deshalb von Zyklus zu Zyklus unterscheiden können. Damit variiert auch das Ausmaß, in dem die Symptome die Lebensqualität der Menstruierenden beeinträchtigen.
Trotz der hohen Prävalenz dieser Symptome wird die Menstruation am Arbeitsplatz noch immer als unangemessenes Gesprächsthema angesehen, wobei viele Betroffene sogar so weit gehen, dass sie nicht nur ihre Symptome vertuschen, sondern die Tatsache, dass sie überhaupt gerade menstruieren. Das kann vor allem dann unangenehm werden, wenn sie keine Periodenprodukte zur Hand haben, oder ein häufiges Bedürfnis besteht, die Toilette aufzusuchen.
Da manche Menstruierende es jedoch nicht wagen, offen über ihre Bedürfnisse zu sprechen, kommt es dazu, dass sie zwar zur Arbeit erscheinen, aber oft nicht in der Lage sind, produktiv zu arbeiten. Stattdessen wird viel Energie dafür aufgewendet, die Symptome herunterzuspielen, um sich nichts anmerken zu lassen. Das kann zu Erschöpfung und im schlimmsten Fall sogar zu einer Verstärkung der Symptome führen, da hierdurch Stress entsteht. Das wiederum führt zu einem geringeren Wohlbefinden der Angestellten und einer verringerten Produktivität.

Eine niederländische Studie aus dem Jahr 2019 - die bisher größte Kohortenstudie, die analysiert, wie sich Menstruationsbeschwerden auf die Produktivität auswirken - hat festgestellt, dass Menstruationsbeschwerden für 22 % der Fehltage von erwerbstätigen Frauen verantwortlich sind. Erstaunliche 80 % der Frauen, die sich aufgrund von Menstruationsbeschwerden krankmeldeten, gaben in der Studie an, dass sie Menstruation nicht als Grund für die Abwesenheit nannten.
Die meisten erwähnten lediglich das Symptom (46 %), während andere überhaupt keinen Grund angaben (28 %). Ein kleiner Teil erfand sogar einen Grund (6 %). Dieses Ergebnis zeigt deutlich, dass es vielen noch immer unangenehm ist, über Menstruationsbeschwerden zu sprechen, oder dass sie befürchten, dass diese nicht als legitimer Grund für das Zuhausebleiben angesehen werden.
Ein weiteres auffälliges Ergebnis dieser Studie ist, dass die Produktivitätsverluste aufgrund von Präsentismus siebenmal höher sind als die Produktivitätsverluste aufgrund von Absentismus. Dies bedeutet, dass der größte Teil des gesamten Produktivitätsverlustes darauf zurückzuführen ist, dass Menstruierende zur Arbeit kommen, wenn sie sich unwohl fühlen (Präsentismus), und nicht darauf, dass sie zu Hause bleiben (Absentismus). Oft versuchen die Betroffenen, den Produktivitätsverlust auszugleichen, gar zu „überkompensieren“, tun also mehr als nötig wäre, um nicht als unproduktiv angesehen zu werden. Auch das verursacht Stress und hat einen negativen Einfluss auf die Work-Life-Balance.

Eine Längsschnittstudie, die sich mit dem prämenstruelle Syndrom (PMS) befasst, zeigt, dass ein hohes Maß an Stress erheblich an der Schwere und Anzahl der prämenstruellen Symptome im folgenden Zyklus beteiligt ist.
Was uns diese Forschung zeigt, ist, dass wir die biologische Wirkung der Menstruation nicht einfach unbeachtet lassen können, da es ansonsten zu gesundheitlichen Problemen und einer verstärkten Chancenungleichheit kommen kann. Nicht offen über die Menstruation zu reden birgt die Gefahr, dass Menstruation als etwas Negatives oder gar Krankhaftes angesehen wird.
Die Normalisierung der Menstruation und ein offener Umgang mit der Thematik ist essenziell, um Chancengleichheit zu erlangen und ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen. Eine Möglichkeit, die vermehrt von Arbeitgeber*innen angeboten wird, ist „Menstruationsurlaub“, also die Möglichkeit, während der Menstruation 1-2 Tage frei zu nehmen. Obwohl gut gemeint, kann diese Lösung, ohne angemessene Schulung und Aufklärung, die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und die Objektivierung von Frauen verstärken.
Das liegt daran, dass diese Pauschallösung suggeriert, dass alle Menstruierenden unfähig sind zu arbeiten, und dass Menstruation und andere hormonbedingte Vorgänge, wie z.B. die Menopause, Menschen schwächer oder unzuverlässiger machen. Mythen und Fehlinformationen über die Menstruation würden nicht behoben werden. Außerdem wird damit die schädliche Annahme aufrechterhalten, dass menstruationsbedingte Gesundheitsprobleme nicht behandelbar sind, und dass das Thema am besten geheim gehalten werden sollte.
Zudem wird denjenigen, die weniger starke Beschwerden erfahren, die Möglichkeit genommen, andere Lösungen, wie zum Beispiel flexiblere Arbeitsbedingungen, in Anspruch zu nehmen. Die anhaltende Pandemie und die damit einhergehende Home-Office-Pflicht für viele Berufsgruppen beweist, dass es sich auch von Zuhause aus produktiv arbeiten lässt. Für diejenigen, die unter einer gynäkologischen Erkrankung leiden und deshalb nicht bei der Arbeit erscheinen können, sollte stets die Möglichkeit bestehen, sich deshalb, wie jede/r andere, krank zu melden.
Individuelle Lösungen zu finden kann enorme Vorteile für Menstruierende haben, und ihr Wohlbefinden, ihre Gesundheit und schlussendlich auch ihre Produktivität steigern. Das Thema offen anzugehen und Maßnahmen umzusetzen, die dem zyklischen Wesen von Menstruierenden besser entsprechen, hat Vorteile für alle, und kann sogar zu einer Win-Win-Win-Situation führen.
Wie Menstruierende profitieren
Die Möglichkeit, mit jemandem am Arbeitsplatz über Menstruationsbeschwerden und ihre Auswirkungen zu sprechen, wäre bereits ein großer Gewinn für Menstruierende. Die Schaffung eines Bewusstseins und die Normalisierung der Menstruation sind notwendig, um Arbeitsbedingungen bei Bedarf anzupassen. Menstruierenden zu ermöglichen, ihr Arbeitsumfeld vor oder während ihrer Periode flexibler zu gestalten, kann ihr Wohlbefinden in mehrfacher Hinsicht verbessern:
Es ermöglicht eine bessere Work-Life-Balance. Dadurch, dass Menstruierende in der Lage sind, produktiver zu arbeiten, besteht keine Notwendigkeit mehr für Überkompensation. Auf diese Weise sinkt ihr Stresslevel, was sich positiv auf ihre (hormonelle) Gesundheit auswirken kann. Starke (prä-)menstruelle Symptome können sowohl von gynäkologischen Erkrankungen als auch von hormonellen Ungleichgewichten herrühren. Beides gilt es anzugehen, und eine Reduktion von Stress ist dafür absolut notwendig.
Menstruierende, deren Menstruationsbeschwerden ihre Arbeit stark beeinflussen, können in ihrem Job bleiben und ihre Karriere verfolgen. Das ermöglicht ihnen, finanziell unabhängig und produktiv zu sein. Neben dem offensichtlichen Vorteil der finanziellen Sicherheit ist dies wichtig, da ein stabiles und ausreichendes Einkommen und sich produktiv zu fühlen wichtige Faktoren für eine gute psychische Gesundheit darstellen.
Nicht nur die betroffenen Menstruierenden, sondern auch deren Familien profitieren von flexibleren Arbeitsbedingungen, sowohl in finanzieller als auch in emotionaler Hinsicht. Eine schlechte Work-Life-Balance kann dazu führen, dass sich Menstruierende mit Aufgaben in ihrem sozialen Umfeld überfordert fühlen. Das betrifft häufig auch familiäre Pflichten.
Letztendlich können Menstruierende lernen, mit ihrem Zyklus zu arbeiten. Der menstruelle Zyklus besteht schließlich nicht nur aus lästigen Symptomen, sondern aus vielen Phasen, deren Potenzial man mit einer zyklischen Lebensweise ausschöpfen kann. So führt das „Östrogenhoch“ rund um den Eisprung zum Beispiel dazu, dass sich Menstruierende besonders aktiv und energiegeladen fühlen.
Wie Arbeitgeber*innen profitieren
Arbeitgeber*innen sind darum bemüht, qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen, wertvolle Mitarbeiter*innen zu halten und eine hohe Produktivität sicherzustellen. Um diese Ziele zu erreichen, ist es wichtig, ein angenehmes Arbeitsumfeld für alle Mitarbeiter*innen zu schaffen. Daher kommt die Ermöglichung von flexibleren Arbeitsbedingungen für Menstruierende auch den Arbeitgeber*innen zugute:
Die Bedürfnisse von Menstruierenden anzuerkennen, und damit bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, kann dabei helfen, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. Das ist vor allem in Zeiten des Fachkräftemangels wichtig, da Arbeitssuchende sogenannte „workplace benefits“ in ihre Entscheidungen einbeziehen.
Mitarbeiter*innen, die von flexibleren Arbeitsbedingungen profitieren, können an das Unternehmen gebunden werden. Die Suche nach neuen Arbeitskräften und die Einlernphase führen zu enormen Kosten für jedes Unternehmen. Deshalb liegt es im Interesse der Unternehmen, Mitarbeiter*innen langfristig zu beschäftigen und Krankheitsausfälle zu vermeiden.
Produktivitätsverluste (aufgrund von Menstruationsbeschwerden) werden minimiert. Zwar mag es angemessen erscheinen, die Fehlzeiten von Mitarbeiter*innen möglichst gering zu halten, jedoch kann es damit zu einem erhöhten Präsentismus kommen. Wenn Menstruierenden erlaubt wird, ihre bevorzugte Arbeitsweise zu wählen, wird dies zu einer höheren Produktivität führen. Darüber hinaus setzt dies ein Zeichen von Vertrauen, was nicht zuletzt mit einem höheren Engagement und einer höheren Motivation belohnt wird.

Wie die Gesellschaft profitiert
Menstruierenden die Möglichkeit zu geben, ihre Produktivität zu steigern, käme zuletzt auch der Gesellschaft zugute, da dies ihren Beitrag zum Wirtschaftswachstum des Landes erhöht.
Stress zu reduzieren ist eine wirksame, nicht-pharmazeutische Methode, um Krankheiten vorzubeugen. Untersuchungen zeigen, dass Stress außerdem eine der Hauptursachen für langfristige Arbeitsausfälle ist. Gesamtgesellschaftlich betrachtet ist es also von Vorteil, Stress am Arbeitsplatz möglichst gering zu halten.
Menstruierende, die wegen fehlender Flexibilität nicht in der Lage sind zu arbeiten, wären nach Einführung flexiblerer Maßnahmen nicht mehr auf staatliche Hilfen angewiesen und könnten ihre Karriere verfolgen. Das kann zudem zu einem höheren Verdienstpotential führen und somit auch die Kaufkraft stärken.
Den Arbeitsplatz periodenfreundlich gestalten
Um Chancengleichheit in der Arbeitswelt zu erlangen, ist es unabdingbar, die Bedürfnisse von Menstruierenden zu berücksichtigen. Hierbei ist es noch einmal wichtig zu erwähnen, dass keinesfalls alle Menstruierenden besondere Bedürfnisse haben, einige sich jedoch schwertun, ständig gleich produktiv sein zu müssen, besonders dann, wenn sie sich nicht immer gleich (gut) fühlen.
Ein erster Schritt, eben diese Bedürfnisse anzuerkennen, ist die Bereitstellung von Periodenprodukten und die Möglichkeit, sich an einen geschützten Ort zurückzuziehen – besonders in Großraumbüros. Zudem sollten Menstruierende die Möglichkeit haben, ihre Bedürfnisse zu artikulieren, ohne Angst haben zu müssen, diskriminiert zu werden. Nur so kann ein offener Umgang mit der Menstruation geschaffen und das Tabu gebrochen werden.
Gerade für Unternehmen, die sich bisher noch nicht mit den Folgen von Menstruation am Arbeitsplatz auseinandergesetzt haben, ist es ratsam, sich externe Hilfe zu holen. Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen können gleichermaßen weitergebildet werden und somit gemeinsam den Arbeitsplatz menstruationsgerecht gestalten.